Virtuelle Exkursion(en)
Jugendkulturen im Blick der Staatssicherheit
Wie ging das DDR-Regime mit jungen Menschen um, die anders lebten und dachten als der Mainstream? Jugendliche gehen mit der Gedenkstätte Hohenschönhausen auf virtuelle Exkursion(en). Sie erkunden ein 3DRaummodell der ehemaligen Untersuchungshaftanstalt und lernen in Online-Workshops die Geschichten von Zeitzeug:innen aus der Punkszene und Umweltbewegung kennen und erfahren, wie die DDR mit rechtsextremen Skinheads verfuhr.
Das Projekt hat zum Ziel, den historischen Ort der ehemaligen Zentralen Untersuchungshaftanstalt des MfS in Berlin-Hohenschönhausen, den Themenkomplex politischer Haft und die Lebenswelt junger Menschen in der DDR erfahrbar zu machen, egal, wo sich die Teilnehmenden aufhalten. Damit leistet das Projekt in der Gedenkstätte einen großen Schritt in Richtung Digitalisierung und einen wichtigen Beitrag zur Demokratiebildung. Die Virtuellen Exkursionen richten sich an Schulklassen und Jugendgruppen ab der 9. Jahrgangsstufe und bestehen aus verschiedenen Angeboten, die flexibel miteinander kombiniert werden können. Mit dem spielerischtechnischen Zugang sollen Gruppen angesprochen werden, denen ein Besuch vor Ort aufgrund von Mobilitätseinschränkungen oder finanziellen Mitteln nicht möglich ist. Im 3D-Rundgang bewegen sich die Jugendlichen eigenständig durch die Gänge, Zellen und Vernehmerzimmmer der Untersuchungshaftanstalt und entdecken auf ihrem Weg partizipative Elemente, digitalisierte Objekte, Erklärvideos von Pädagog:innen, sowie Interviews mit dem ehemaligen Inhaftierten Gilbert Furian. Er berichtet davon, wie er die Zeit im Gefängnis erlebt hat. So bekommen die Teilnehmenden einen umfassenden Eindruck von den Haftbedingungen, der Lebenswirklichkeit der Betroffenen, dem historischen Ort und den Repressionsmethoden des Ministeriums für Staatssicherheit.
Des Weiteren stehen drei digitale Workshops zur Auswahl, die sich mit den Themen Punk, Umweltbewegung und rechtsextremen Skinheads in der DDR auseinandersetzen. Bei diesen dialogischen und interaktiven Formaten tauchen die Jugendlichen ein in die Lebenswelt von jungen Menschen in der DDR. Sie setzen sich damit auseinander, aus welchen Gründen und mit welchen Mitteln Jugendliche, die in ihren Überzeugungen oder ihrem Lebensstil vom Mainstream abwichen, vom Ministerium für Staatssicherheit verfolgt wurden. Videointerviews mit Zeitzeug:innen und konkrete Ereignisse bilden den roten Faden. Die Schlagzeugerin Mita berichtet, mit welcher Härte der Staat gegen sie und die anderen Mitglieder ihrer Punkband vorging, nachdem sie 1983 bei einem Konzert Songs mit kritischen Texten gespielt hatten. Wie es dazu kam, dass die Stasi 1987 bei einer Razzia die Umweltbibliothek in der Zionskirche stürmte, berichtet Tim Eisenlohr. Bei dem Workshop über Rechtsextremismus in der DDR bildet das Element of Crime Konzert in der Zionskirche den Ausgangspunkt, das 1987 von prügelnden Skinheads überfallen wurde. Diese Angebote sind unter Beteiligung von Jugendgruppen entstanden. Bei insgesamt drei Jugendbildungswochen waren Berufsschulklassen in der Gedenkstätte und haben sich bei dreitätigen Workshops mit den Projektthemen auseinandergesetzt. Dabei sind Interviews mit Zeitzeug:innen entstanden, die die Jugendlichen selbst vorbereitet, durchgeführt und gefilmt haben. Außerdem haben sie Fotos, Videos und 3D-Scans angefertigt, die in den 3D-Rundgang eingeflossen sind. Projektleitung: Jana Brahmann und Katharina Lütz.
Wenn wir als Punks unterwegs waren (…) und nichts Böses im Sinn hatten (…) dann wurden wir festgenommen von irgendeinem Bullen. Und da fing das an, dass man sich wehrte und wütend wurde. Was ich sagen will, ist, dass wir mehr politisiert wurden, als dass wir das von vornherein waren. Durch die Repression entsteht eben Gegendruck.
Highlight des Projektes
Bei der Jugendbildungswoche zum Thema Umweltbewegung erstellten die Teilnehmenden Schüler:innen eine Pop-up-Ausstellung zu Umweltproblematiken in der DDR. Es entstand u.A. eine beeindruckende Installation zur Informationspolitik der DDR nach dem Reaktorunglück von Tschernobyl. Die Besuchenden mussten sich die versteckten Informationen über die tatsächlichen Gefahren der Strahlung im Raum zusammensuchen, während das bedrohliche Ticken einer Uhr die Dringlichkeit der Situation unterstrich.
“Jugend erinnert” hat uns ermöglicht, hochwertige und methodenvielfältige Online-Formate zu entwickeln und damit einen großen Sprung in der Digitalisierung unserer Bildungsarbeit vorzunehmen.